Selbstreferenzielles bei den Grünen

Das Grüne Projekt in Österreich, und besonders in Wien, ist in den letzten Wochen und Monaten in eine Krise geschlittert. Entgegen dem dazu oft Geschriebenen besteht die Krise darin, dass im Zusammenhang mit den EU-Wahlen und der Initiative gruenevorwahlen.at eine rein auf das Formale gerichtete, aber einigermaßen explosive Dynamik rund um Fragen der Teilhabe am Grünen Projekt enstanden ist, die zumindest bisher noch nicht durch eine annähernd gleichstarker Substanz aktueller politischer Inhalte ausbalanciert werden konnte. Wie ich hier erklären möchte führt das zu einem Überschießen eines letzlich leeren Diskurses der Selbstbezüglichkeit und der persönlichen Geltungsansprüche, in dem unvermeidlich gerade die häßlichen Aspekte der Grünen Parteiorganisation zunehmend ins Zentrum der Wahrnehmung rücken und so das Grüne Projekt insgesamt beschädigt wird. Dieser kleine Beitrag soll ein Versuch sein, einen gegenläufigen Impuls zu beschwören.

kreisStärker als je zuvor in Österreich spielen in diesem Situationsbild politische Weblogs und das Forum der Online-Version des Standard eine Rolle. Sie zeigen, dass es nun auch hierzulande eine große Gruppe artikulierter Internet-NutzerInnen gibt, die im Stande sind, politische Debatten von großer Öffentlichkeitswirksamkeit zu initiieren und auszutragen. Aber was ist das Erscheinungsbild dieser Debatte? Auf Seiten dieser Web-NutzerInnen tritt sie als ein vielstimmiges Konzert einzelner BloggerInnen und ForennutzerInnen auf, die jeweils ihre ganz persönliche Sicht der Dinge schreiben und so in die Debatte einspeisen. Warum tun sie das? Sie tun das um - völlig legitim - Interessen zu vertreten, um ihrer persönlichen Meinung Gehör zu schaffen, um also gehört zu werden, um als Person sichtbar zu sein, um zu gestalten. Das Web ist eine unerhört billige Form all das zu erreichen, aber es ändert nichts daran, dass hier Menschen agieren mit dem Bedürfnis, für sich Sinn zu schaffen, indem sie öffentliche Geltung und Beachtung finden.

Diese Gruppe trifft nun auf das Innere der Grünen Parteiorganisation, die FunktionärInnen und Parteimitglieder. Erstaunt nehmen diese die Geltungsansprüche von Personen wahr, die nicht Teil der Organisation sind, und die offenbar auch noch aus anderen Lebenswelten kommen als die GrünfunktionärInnen selbst. Was dabei provoziert, ist, so denke ich, weniger der Wunsch nach Teilhabe sondern der politische Geltungsanspruch, der sich auf nicht anderes gründet als die Bereitschaft eine leicht zugängliche Technologie wie Weblogs und Konsorten einzusetzen. Es ist ein Treppenwitz, über den man nicht lachen sollte, dass in der Folge einige maßgebliche GrünfunktionärInnen etwas überhastet ebenfalls zum Instrument eines eigenen Weblogs oder von Facebook-Seiten greifen um ihre eigenen Geltungsansprüche gegenüber der Öffentlichkeit ebenfalls durchzusetzen.

In der Folge entfaltet sich ein öffentlicher Wettstreit von Geltungsansprüchen Einzelner, in dem einem schon einmal schwindlig werden kann von den vielen Porträtfotos junger Menschen in den Zwanzigern und Dreißigern. In der ganz überwiegenden Mehrheit sind es Männer, die hier um Geltung wetteifern. Wer kann sich als maßgeblich etablieren? Wer hat das Recht auf seiner Seite, sein Verständnis von Teilhabe durchzusetzen?

In dieser Situation sind es die GrünfunktionärInnen, die immer wieder die Forderung hinausschreien, die Debatte doch bitte über politische Inhalte und nicht bloß über Formalismen zu führen, aber über diesen selbst formalistischen Aufruf gelangen auch sie nicht hinaus - das Substanziellste, was ihnen in der allgemeinen Aufregung einzufallen scheint ist die Kampfparole "Grün statt Rechts".

Aufgrund der geringen Transaktionskosten intensiviert sich die Debatte in einer Weise, dass einzelnen AkteurInnen in der Hitze der Emotion unbedachte Äußerungen entschlüpfen, die katastrophale Projektion grüninterner Flügelkämpfe nach außen, auf Wählerschaft und Öffentlichkeit, durch David Ellensohn ist hier nur das auffälligste Beispiel unter mehreren.

Das Bedrohliche an dieser Entwicklung ist, dass der positive Ansatz politischer Partizipation über neue Kommunikationsformen wegen des eigentümlichen Fehlens von Inhalten in der Debatte zu einer Kakophonie persönlicher Geltungsansprüche degeneriert und so den Gedanken breiterer politischer Partizipation in Misskredit bringt.

In dieser Atmosphäre ist jede weitere Wortmeldung nur eine Fortschreibung des Kampfes um Aufmerksamkeit und Geltung - dieses Weblog ist da beileibe keine Ausnahme und flüchtet sich in diesem Bewusstsein in die Anonymität um die Dominanz der Selbstdarstellung zumindest ein Stück weit zu neutralisieren. Das Streben nach Geltung bleibt aber, und so ist wohl auch dieser Beitrag so selbstreferenziell wie weite Teile der kritisierten Debatte selbst: der Einwurf in die Debatte ist wesentlich auch ein Versuch sich der eigenen Bedeutsamkeit zu versichern.

Die Aufgabe für die BerufspolitikerInnen der Grünen wäre es, den Ausweg aus diesen Formalismen zu weisen, durch das Platzieren von Themen mit angemessenem Gewicht um das leere Lärmen der Geltungsansprüche zu übertönen. Der Vorwurf, den man der Grünen Führungsriege nicht ersparen kann, ist jener, dazu bisher nicht die Kraft gefunden zu haben, sondern sich sogar mitten in die Debatte hineinzustürzen. Dort ist aber kein Ausweg, sondern nur weitere Verschärfung einer totgelaufenen Diskussion möglich.

Daraus ergibt sich nicht der Ruf nach einer FührerInnenfigur, aber ein Herbeisehnen von Stimmen, die eigenständige, originelle Gedanken zu den Problemen des Tages formulieren können. In der Frage der Wirtschaftskrise muss das mehr sein als eine Zuspitzung sozialdemokratischer Positionen mit einem Touch Ökologie - gefragt sind ein, oder auch mehrere konkurrierende, klare Skizzen für Auswege oder systemische Konsequenzen aus der Krise. In Immigrationsfragen und der Erweiterungsperspektive der EU benötigen die Grünen eine selbstbewusste und positive Vision, die von Respekt vor der Realität ausgeht. In der Klimapolitik geht es nicht um Kritik an Bestehendem, sondern um konstruktive Konzepte, die auch die Marktkräfte als Werkzeug und nicht als Feindbild begreifen. Das sind drei Erzählungen, die von den Grünen kommen müssen - ergänzt durch einige weitere. Es ist die Verantwortung der Grünen Gremien, in der Öffentlichkeit solche Stimmen prominent zu positionieren, die diese Geschichten authentisch und überzeugend erzählen können.

Denn wenn sich der aktuelle Zustand inhaltlicher Schwäche noch lange fortsetzt könnte der Informationsgehalt des österreichischen Grüne Projekts wie in den Wochen der Vorwahldebatte in selbstreferenziellem Wortrauschen untergehen. Damit wären dann aber auch alle Chancen und Hoffnungen auf neue Partizipationsformen fürs Erste hinfällig.

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